Als ich jung war, da dachte ich, dass Liebe Bullshit sei, dass Beziehungen eh nicht halten werden, dass ich lieber nur flüchtige Knutschereien auf Partys haben, mich danach umdrehen und gehen sollte. Und es gibt Tage, ja Wochen, manchmal sogar Monate, an denen ich das immer noch glaube. Nur die Partyknutschereien, die habe ich mittlerweile ausgeschlossen – dafür müsste ich ja zunächst mal auf die Party gehen.
Ich habe einige nette Männer kennengelernt damals in der Jugend und in meinen 20ern. Solche, bei denen ich im Nachhinein denke: „Das war mal ein richtig Guter“. Zu schätzen wusste ich das jedoch zu dieser Zeit nicht. Viel zu sehr war ich in meiner Selbstfindungsphase verstrickt, wollte Abenteuer, Ablenkung, die Nächte durchfeiern, bloß nicht zu viel Ruhe und Beständigkeit. Der „lonely Cowboy“ an der Bar im Indie-Club, der lässig an seiner Zigarette zieht und mich auf einen Schnapps einlädt, hatte weit mehr Chancen, als der sensible freundliche Typ von Nebenan. Glücklich gemacht habe ich mich damit jedoch nicht, aber vielleicht wollte ich gar nicht wirklich glücklich sein.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Nicht nur, dass ich es schwer hätte einen rauchenden Typen an der Bar kennenzulernen, denn ich gehe gar nicht mehr in Clubs. Nein, ich habe in meinen 20 Jahren Erfahrung mit Männern gemerkt, dass ich nicht Coolness will, kein Kämpfen um einen unnahbaren Typen und Schnapps sowieso nicht mehr. Ich will jemanden, der verlässlich ist, der sein Leben im Griff hat und kein Problem damit, in der Bar auch einfach mal nur eine Cola zu bestellen. Das zumindest weiß und propagiert mein Verstand. In meinem Unterbewusstsein läuft jedoch offensichtlich weiterhin etwas ziemlich schief.
Bin ich nun selbst 35, habe mein Leben meist ganz gut unter Kontrolle und dem exzessiven Partyleben und der Trinkerei schon seit Jahren abgeschworen, suche ich mir weiterhin immer wieder Männer, die den Vorstellungen meiner Jugendtage entsprechen. Fast immer sind sie jünger als ich, teilweise erheblich, größtenteils haben sie ein Alkohol- oder Canabis-Problem und in Zuverlässigkeit glänzen sie zumeist auch nicht. Ja, wir können immer gut reden, über Gott und die Welt und was wir vom Leben erwarten. Was mir jedoch meist erst im Nachhinein auffällt: diese Männer können besonders lange über ihre Erwartungen an das Leben reden, weil sie (noch) gar nicht wissen, was sie von ebendiesem wollen. Und dummerweise verwechsele ich diese Unbeständigkeit und Unentschlossenheit mit Tiefgang, immer wieder aufs Neue.
Ich denke, dass der Mann sich ändern wird, dass er beispielsweise für mich nicht mehr so viel trinken wird, dass er das schon hinkriegt mit dem regelmäßigen Melden, auch wenn es bei den Frauen vor mir nicht geklappt hat. Er ist doch so schlau und hinterfragt so viel, dann wird er das doch auch noch schaffen – rede ich mir ein, für ein paar Wochen, vielleicht ein paar Monate. So lange, bis ich aufwache und merke, dass ich in genau das gleiche Muster verfallen bin wie immer. Dass ich doch tatsächlich in den 20 Jahren nichts dazu gelernt habe.
Ein Kreislauf, aus dem man scheinbar nicht so einfach entbrechen kann? Nur, wenn man es wirklich will, und soweit ist es nun. Ich habe es mir fest vorgenommen: zukünftig werde ich auf die „red flags“ achten. Denn ja, wenn ein Mann mir schon sagt, dass er schlecht im Melden ist, dann lügt er wohl kaum. Wenn er meint, dass er seit vielen Jahren tagtäglich kifft, dann wird er das sicherlich nicht wegen mir von einem Tag auf den anderen ändern, so sehr ich mir das auch wünsche. Wenn er mir sagt, dass er gar nicht weiß, ob er bereit für eine Beziehung ist, dann ist es nicht an mir ihn dazu zu überreden.
In Zukunft will ich Männer kennenlernen, die kein Projekt darstellen, von denen ich nicht denke, dass ich sie verändern muss. Das wird ungewohnt, mal nicht hart kämpfen zu müssen, doch genau das will ich jetzt. Natürlich weiß ich, dass niemand perfekt ist. Mit einer schiefen Nase kann ich leben, mit einem Mann, der kleiner als ich ist auch, wenn er andere Filme mag als ich, ok, und er darf sich sogar über Astrologie lustig machen. Doch ich will genau solche Männer, wie die, die ich in meiner Jugend verschmäht habe, weil sie „zu nett“ waren. Jemanden, der einfach da ist, wenn man es sich wünscht, der emotional erreichbar ist und keine Angst vor Nähe und ein bisschen Verbindlichkeit hat. Vielleicht treff ich ihn nicht morgen, vielleicht auch nicht übermorgen, aber er wird schon kommen, da ich ihn ab jetzt nicht mehr zugunsten des lonely Cowboys übersehen werde.
Hach, ein wunderbarer, ehrlicher, aufrichtiger Artikel – ohne Bitterkeit, ohne Falscheinschätzung und einer, mit dem sich sicherlich viele identifizieren können! Ich unterschreibe und unterstütze jedes deiner Worte
Die Art von Menschen (Ich sag‘ jetzt explizit nicht Männer, denn andersrum kenne ich auch viele Reisende Frauen, die so ticken) sehe ich sehr genau vor mir. Und es ist auch sicherlich nichts Verwerfliches dran, auf ner Matte am Strand zu liegen, was zu rauchen, ne Flasche Wein zu teile und über den Sinn des Lebens zu reden. Aber eins habe ich inzwischen auch gelernt: Für alles gibt es seine Zeit.
Und deine Wellelänger läuft jetzt eben anders. Und das ist ja auch wunderbar, denn wie langweilig wäre es, wenn wir von 20 bis 40 uns nicht verändern würden 🙂
Ich bin mir sicher: Du wirst irgendwann auf jemanden stoßen und es wird *WOOOOOSH* machen und dir den Boden unter den Füßen wegziehen und das Beste daran wird sein: Du wirst erkennen, dass die ganzen anderen Männer keine Männer waren, sondern Jungs, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden haben und es mit einer Frau wie dir sowieso nicht aufnehmen hätten können
🙂 <3
Liebe Grüße aus München
Julia | notyourcomfortzone.com
julia, danke für deinen tollen Kommentar, der mich wirklich sehr gefreut hat. Genau, ich sehe es auch so, dass es für alles eine Zeit gibt. Und diese Männer, die ich beschrieben habe, sehe ich ja auch nicht als schlechte Menschen, nur eben als solche, die nicht (mehr) zu mir passen :-). LG aus Düsseldorf
Du sprichst mir aus der Seele. Habe soeben auch mal wieder so eine Männergeschichte beendet. Er fiel genau in mein „Schema“, in das Schema was bisher noch nie funktioniert hat. Ich dachte, ein Versuch ist es wohl noch wert und zack, am Ende doch wieder eine Enttäuschung. Sehr schöner Artikel. Und schon fühle ich mich nicht mehr so allein mit diesen „Männerproblemchen“. Ich hoffe, du findest Mr. Right.
Achja, da gibt es doch einige von uns. Und von diesen Schemata abzukommen, das ist echt gar nicht so leicht. Aber es ist auch ok, wenn ich Mr Right erst viiieeel später treffe ;-). Nur auf diese nervigen sinnlosen Geschichten hab ich keine Lust mehr…