Autorin: Melanie Thelen von Tausend Fremde Orte
Als ich damals in der 3. Klasse war, kam ein – wie wir es heute nennen – Flüchtlingsmädchen aus Bosnien zu uns. Sie war damals vor dem Bosnienkrieg 1995 mit ihren Eltern geflohen.
Dass sie geflohen war und auch der Einfluss der Medien haben in meinem Kopf massenhaft Vorurteile entstehen lassen. Es seien alles Verbrecher und würden nur böses wollen. Ich stellte mir vor, dass dort alles durch den Krieg immer noch zerstört sei und es sehr viel Armut gibt. Was also soll es dort großartiges zu sehen geben? Dieses Vorurteil musste dringend revidiert werden, mit einer eigenen Bosnien-Reise. Und zum Glück hat mich die kleine Hauptstadt Sarajevo (gerade mal 300.000 Einwohner) alles andere als enttäuscht und diese negativen Bilder für immer aus meinem Kopf verbannt.
Sarajevo – Anreise
Wir fuhren mit dem Bus von München in die bosnische Hauptstadt Sarajevo. 16 Stunden! Und ich befürchtete zunächst noch, auf den ersten Kilometern durch das fremde Land, dass meine Vorurteile sich bestätigen würden. Auf der ganzen Strecke sah ich alte, heruntergekommene Gebäude. Verlassene Ruinen, die deutlich vom Krieg gekennzeichnet sind. Und zwar mit Einschusslöchern.
Es war ein eher mulmiges Gefühl hier zu sein und ich war froh, als wir in unserer Unterkunft, die wir über AirBnb gebucht hatten, ankamen. Denn 16 Stunden mit dem Bus sind nicht ohne und dementsprechend fühlten wir uns.
Du kannst natürlich auch fliegen. Das geht – in den meisten Fällen – deutlich schneller und kostet nur einen Hauch mehr. Mit dem Bus zahlst du etwa 90 Euro. Natürlich kannst du aber auch in eine andere Stadt von Bosnien fliegen und dir ein Auto mieten. Das gibt dir noch mehr Flexibilität.
Sarajevo – eine unterschätzte Stadt
Um in die Stadt zu kommen mussten wir von unserer Unterkunft erst einmal den Berg hinunter laufen. Runter ist nicht schlimm, hoch nahmen wir uns meistens ein Taxi. Und ich habe mich sofort in die Stadt verliebt. Mit ihren vielen kleinen Seitengassen und Cafés erinnert sie mich an Melbourne (meine Lieblingsstadt), nur ein bisschen älter. Sebilj, der Platz mit dem öffentlichen, historischen Brunnen, erinnert mich stark an den Markusplatz in Venedig. Hier tummeln sich hunderte von Tauben und für kleines Geld, kannst du auch eine Portion selber an die Ratten der Lüfte verfüttern.Es ist kaum vorstellbar, dass hier vor nicht einmal 25 Jahren ein Krieg geherrscht haben soll.
Die Menschen, die hier leben, strahlen eine unglaubliche Lebensfreude aus, sind freundlich und sehr hilfsbereit. Im Park wird friedlich eine Partie Schach mit den Freunden gespielt. Weit und breit keine Spur von Verbrechern und Halsabschneider. Ich hatte mich von meiner winzigen Kindheitserinnerung und den Medien so stark blenden lassen, dass sich mein schlechtes Gewissen kurzzeitig zu Wort meldete. Doch das alles war sofort wieder vergessen, als ich diese unglaublich geile Theke mit Kuchen und anderen Leckereien entdeckte. Und als Schleckermaul musste ich natürlich alle diese Köstlichkeiten probieren.
Sarajevo – kulinarische Highlights
Das Essen in Sarajevo ist sowieso der absolute Wahnsinn. Hier gibt es viel Fleisch, hauptsächlich Rind, noch mehr Käse und natürlich hausgemachte Fladenbrote. Cevapcici ist wohl einer der Klassiker, den es in Sarajevo gefühlt an jeder Ecke gibt. Zu den kleinen Röllchen werden meistens noch eine Art Sahnecreme (Kaymak), Zwiebeln und das leckere Fladenbrot serviert. Wer keine Lust auf die deftige bosnische Küche hat, kann sich auch eine bosnische Pizza gönnen. Es gibt genau einen Laden in Sarajevo, wo ich die beste Pizza essen durfte. Einen Namen kann ich leider nicht nennen, da er anscheinend keinen Namen hat. Aber er liegt direkt Gegenüber der Strasse, die hoch zur gelben Bastion führt.
Und es gibt noch eine weitere Sache, die du in Sarajevo probieren solltest: bosnischen Kaffee. In der Zubereitung ähnelt er dem türkischen Kaffee. Er ist pechschwarz, stark und schmeckt wesentlich besser.
Sarajevo und seine Geschichte
Wenn du allerdings weiter durch die Stadt schlenderst, wirst du früher oder später Spuren des Bosnienkrieges zu Gesicht bekommen. Überall in der Stadt findest du die sogenannten „Roten Rosen“ auf den Gehwegen. Sie erzählen dir, dass an dieser Stelle ein Mensch während des Bosnienkrieges gestorben ist. Sarajevo hat eine unglaublich traurige Geschichte. Denn es war nicht nur Teil des jüngsten Krieges, sondern auch Teil des ersten und zweiten Weltkrieges. Viele Sehenswürdigkeiten stammen aus diesen Zeiten. Wie zum Beispiel der Sarajevo-Tunnel. Er liegt südlich des internationalen Flughafens und war damals während der Belagerung im Bosnienkrieg ein wichtiger Fluchttunnel, über den Waffen, Lebensmittel oder Öl in die Stadt transportiert wurden. Der Tunnel war 800 Meter lang und nur knapp einen Meter breit. Ziemlich beklemmend. Besonders, wenn die Leute damals noch mit Lieferungen für die belagerte Stadt vollgepackt waren. Doch nach einer Weile wurde eine Schienenverbindung gebaut, was die Transporte erleichterte.
Ein weiteres wichtiges Denkmal befindet sich im Westen der historischen Altstadt von Sarajevo. Es ist die ewige Flamme. Sie ist ein Denkmal für die militärischen und zivilen Menschen, die im zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren.
Auch die Bobbahn wurde nicht vom Krieg verschont. Hier wurden die Olympischen Winterspiele 1984 ausgetragen. Noch heute kannst du die Einschusslöcher in der damaligen Festung erkennen. Sie liegt nördlich von Sarajevo und ist entweder mit einer Tour oder auf eigene Faust mit dem Auto zu erreichen.
Aber Vorsicht: Wandere nicht zu viel im Wald umher. Denn noch heute liegen hier Minen vom Bosnienkrieg versteckt.
Das wahre Leben in Sarajevo
Ich liebe Märkte: Märkte jeder Art. Ob es Lebensmittelmärkte, Souvenirmärkte oder Kunstmärkte sind, jedes Mal tauche ich in die Welt ein und genieße es in vollen Zügen. Ich genieße die Gerüche, die Farben, die Geräusche und ich beobachte super gerne die Leute. Denn Märkte abseits des Tourismus zeigen das wahre Gesicht und das wahre Leben eines Landes. Und auch wenn ich nur auf der Durchreise bin, fühle ich mich jedes Mal willkommen, wenn die Leute mich anlächeln oder mir sogar etwas zum probieren reichen. Für mich gehört ein Marktbesuch immer auf die To-Do-Liste, wenn ich in ein neues Land komme.
Sarajevo im Aufschwung
Nach all den Strapazen, die Sarajevo als Stadt durchmachen musste (Bosnienkrieg, erster und zweiter Weltkrieg) lässt diese Stadt sich nicht unterkriegen und erlebt wieder einen leichten Aufschwung. Häuser werden restauriert und auch die alte Seilbahn, die auf den Berg Trebevic führt, wurde im Jahr 2018 wieder eröffnet, nachdem sie im Bosnienkrieg zerstört wurde.
Selbst die alte Bobbahn soll wieder eröffnet werden, auch wenn erstmal „nur“ für Trainingsläufe. Aber zuerst stehen noch ein paar Aufräumarbeiten an, da sich in dem Gebiet noch unzählige Minen befinden.
Sarajevo ist zwar bisher eine touristisch noch unterschätzte Stadt, jedoch eine, die unbedingt einen Besuch wert ist – ihr werdet es nicht bereuen dort hin zu reisen.
Inspiration: Landschafts-Bilder aus der Nähe Sarajevos:
Sarajevo Lesetipp:
Bei dem Blog Kathi Daniela findest du übrigens weitere Reisetipps Bosnien und Herzegowina.
Sowie einen Bericht über einen Sarajevo Städtetrip.
Danke für diese tollen Bilder! Die Stadt sieht so toll aus, da mag man nicht im Hotelzimmer bleiben. Der Markt ist auch so farbenfroh, das macht richtig Lust auf Reisen. Mutig, dass du dort warst! Wie hast du deine Unterkunft gefunden?
Sehr gerade erst die Verlinkungen zu meinem Blog – vielen Dank!! 🙂 Und sehr schöner Beitrag!
Alles Liebe,
Kathi
Ach, die paar Jahre später…haha. Aber ist doch super, dass du sie jetzt gefunden hast. LG