Lasst mich eine Geschichte erzählen: Es waren einmal drei junge Frauen, 18 Jahre alt, die in ihren Sommerferien zwischen der 12. und 13. Klasse möglichst viel erleben wollten. Zu dieser Zeit hieß das für sie in erster Linie Sonne und Meer, aber auch (oder wahrscheinlich noch viel mehr) Party, Palmen, Männer und (ein) Bier…um es mit dem Text eines damals sehr populären Ballermann-Schlagers zu sagen. Wir schreiben das Jahr 2000 und die drei frisch volljährigen Frauen waren zwei meiner Freundinnen und ich.
Während wir also damals zwei Wochen in Arenal verbracht haben, die von einer Art alkoholgeschwängerten Dunst überzogen waren, da wir die Tage primär schlafend und die Nächte trinkend und tanzend verbracht haben, so erlebe ich heute genau das Gegenteil am Ballermann. Natürlich würde ich eine Reise wie im Jahr 2000 heutzutage sowieso nicht mehr machen, bin ich doch mittlerweile mehr als 11 Jahre trocken, habe gänzlich mein Interesse am Nachtleben verloren und kann auch der Musik von Jürgen Drews und Micky Krause wahrlich nichts mehr abgewinnen. Trotzdem üben die Partymeile rund um den Ballermann 6, die Schinkenstraße mit dem Bierkönig und das Oberbayern weiterhin eine eigenartige Faszination auf mich aus. Zum einen, weil ich mich hier immer wieder an diese doch sehr denkwürdige Reise erinnere und zum anderen, da sie jetzt (in der Nebensaison und Zeiten von Corona) durch eine extreme Tristesse heraussticht. Und irgendwie hatten solche Orte schon immer eine starke Anziehung auf mich. Es hat etwas von einem „Lost Place“, ein bisschen aus der Zeit gefallen.
Am Ballermann im Januar 2022
So gehe ich die Playa de Palma immer wieder auf und ab und schaue mir die Orte meiner Vergangenheit an, die nun auch Orte meiner Gegenwart sind. Denn ich verbringe hier mehrere Wochen, um auf Mallorca zu überwintern und von hier aus online zu arbeiten. Das Meer ist weiterhin knallblau, die Sonne glitzert auf den Wellen, doch um mich herum ist es leer. Und das ist genau das, was ich heute will. Genauso wie das brodelnde, laute, betrunkene Leben um mich herum, genau das war, was ich damals wollte. Die Entwicklung des Ballermanns passt zur Entwicklung meiner Person: Wir haben ein gutes gemeinsames Timing, er und ich.
Übrigens versucht man auf Mallorca schon seit längerer Zeit einen Image-Wechsel hinzubekommen: weg vom Komasauf-Image, hin zu einem hochwertigeren Tourismus, der weniger mit Alkohol zu tun hat, zumindest nicht mehr in diesen Massen. So heißen auch die Balnearios (die Ballermänner) jetzt anders, und werden als Beachclubs tituliert. Der Ballermann 6 ist nun also offiziell der Beachclub 6.
Während meines Aufenthaltes im Januar sind auch (noch) fast alle Hotels geschlossen. Nur ein paar wenige der großen Ketten haben geöffnet, so beispielsweise zwei der RIU-Hotels sowie die Hotels der Iberostar-Gruppe. Wo die Hotelgruppen ihre Pforten geöffnet haben, sind auch jeweils ein paar Restaurants und Geschäfte offen. Ansonsten hat fast die gesamte Gastronomie zu, zumindest die in der ersten Reihe an der Playa de Palma gelegene, die sich an die Touristen richtet. Weiter hinten, ab der zweiten Reihe, befinden sich dagegen mehr geöffnete Lokale. Denn, und das wird ja leider oft vergessen, Mallorca hat auch Einheimische und einige wohnen hier, und wollen schließlich auch in der Nebensaison versorgt sein.
Die Palmen, das Meer und die Sonne interessiert es aber nicht, ob man am Ballermann nun ballert, oder aber hier nur ein paar Rentner und fliegende Händler auf und ab flanieren. Steht man also am Strand, mit Blick aufs Meer und mit dem Rücken zur verlassenen Vergnügungsmeile, so fühlt es sich weiterhin an, wie das Leben auf einer Urlaubsinsel, die nicht umsonst so populär geworden ist und von manch Touristen als ein kleines Paradies angesehen wird. Ruhe am Ballermann, Ruhe in meinem Herzen und in meinen Gedanken. Ein Januar, den ich mir genau so und nicht anders gewünscht habe.
Toller Beitrag, ich kann absolut verstehen, was du meinst!
Die Insel hat so viel mehr zu bieten als nur den Ballermann, weswegen ich mir auch letztes Jahr ein kleine Finca gekauft habe.
Die absolute Entspannung und Ruhe dort!