Bezness in Europa ?!: Es ist November, der Herbst hat schon lange begonnen, trotzdem brennt die Sonne vom Himmel, bei gut 28 Grad. Nach und nach machen die Hotels, Bars und Restaurants zu, jeden Tag wieder ein paar mehr, während die letzten Touristen und Touristinnen der Saison noch durch die Straßen flanieren. Im Sommer muss es hier wirklich voll sein, die Strände und Straßen überlaufen, auf jeden Einheimischen in Hersonissos auf Kreta kommen vermutlich mehrere Touristen: ein Traum für so manchen kretischen (Möchtegern)-Casanova, der mit der einen oder anderen Touristin sein Ego aufpolieren, oder vielleicht auch ein bisschen das Sparschwein für die einsamen Wintermonate auffüllen möchte. Bezness in Europa?
Alleine als Frau auf Kreta
Es ist Anfang Oktober als ich in den Flieger von Düsseldorf nach Heraklion steige, um dem deutschen Herbst zu entfliehen und meine Arbeit, die aktuell ausschließlich online stattfindet, von einem wärmeren Ort auszuüben. Im letzten Winter habe ich dafür Mallorca ausgewählt, diesmal ist es Kreta geworden. In der Vergangenheit war ich bereits zweimal in Griechenland, jedoch bisher noch nie auf dieser Insel.
Ich habe mit schönem Wetter gerechnet, Palmen, Meer, einer hübschen Landschaft – und all dies hat sich auch zu hundert Prozent erfüllt. Was ich jedoch nicht erwartet hatte: einheimische Männer, die schon in allen Ecken lauernd in den Startlöchern stehen, so wie ich es in diesen Ausmaßen bisher primär von Reisen nach Tunesien oder Ägypten kannte, in Europa aber noch nicht erlebt hatte. Schon bevor ich überhaupt losgeflogen bin, erreicht mich bereits die erste Nachricht auf Instagram, von einem jungen Herrn aus Hersonissos, dem Ort, in welchem ich mein Hotel gebucht habe. Wie er mich gefunden hat? Die einzige Möglichkeit ist der Instagram-Account des Hotels, dem ich gefolgt habe. Dies bedeutet also, dass er tagtäglich gucken muss, welche Frauen dort neu folgen, um diese schon vor ihrer Ankunft „abzufangen“. Smarter Move, könnte man meinen, funktioniert jedoch bei mir nicht, da ich zu viele Erfahrungen mit derartigen Herren in der Vergangenheit gesammelt habe. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Der besagte junge Mann wird als Kellner in meinem Hotel arbeiten und meinen zweiten Instagram-Account finden, um mich dann dort auch noch zu kontaktieren.
Doch bevor es soweit kommt, probiert erst noch ein anderer Kellner sein Glück. Keine 24 Stunden bin ich vor Ort, da kommt er zu meiner Poolliege, erzählt mir wie wunderschön ich sei, dass meine Schönheit das einzige wäre, was seinen Tag erstrahlen ließe, und dass ich auf keinen Fall vom Pool weggehen dürfe. Plötzlich setzt er sich neben mich, meint er habe mich gerade auf Instagram gefunden, mir geschrieben und ich solle das doch direkt in seinem Beisein lesen. Mache ich natürlich nicht, sondern erst als ich wieder in meinem Zimmer zurück bin. Es erwartet mich das übliche Geschwafel über „the most beautiful woman“, was aber noch beeindruckender ist, dass er mir all dies von einem Account schreibt, der ihn mit seiner Freundin zusammen im Profilbild zeigt. Ich melde den besagten Kellner beim Hotelmanager, und nach zwei Tagen arbeitet er tatsächlich nicht mehr in dem Hotel.
„Hart“, mag vielleicht mancher von euch denken, doch ich selbst kenne mich gut im Tourismus aus, bin zudem seit langer Zeit Alleinreisende und weiß einfach, dass das offensive Anbaggern von Gästen in professionellen Hotels ein No-Go ist. Besonders wenn man keine Reisepartner hat, sondern solo reist, wird man damit einfach in eine absolut unangenehme Situation gebracht. Wäre ich mit einer Gruppe Freundinnen da, könnte man vielleicht noch gemeinsam darüber lachen, doch alleine fühlt man sich einfach nur bedrängt und vorgeführt. So bin ich also umso mehr geschockt, als ich zwei Wochen später auf meinem zweiten Instagram-Account plötzlich eine Nachricht bekomme, in der ich vom Verfasser gefragt werde, ob ich ihn wiedererkennen würde. Es ist Kostas, der Mann, der mich schon vor meiner Anreise kontaktiert hat und der sich nun auch als einer der Kellner in meinem Hotel rausstellt. Ich hatte ihn schon einmal mit meinem anderen Account geblockt und vorher geschrieben, dass ich absolut kein Interesse habe, trotzdem belästigt er mich jetzt wieder über einen anderen Kanal, von dem ich absolut nicht weiß, wie er ihn finden konnte. Der Mann muss entweder extrem verzweifelt sein oder aber sich für unwiderstehlich halten, eventuell auch eine Kombination aus beidem. So oder so, dass er kein Nein akzeptiert ist auf jeden Fall ein Fakt. Deswegen lasse ich mich auch hier nicht von seinen weiteren Nachrichten blenden und spätestens als die obligatorische Bezness-Aussage „Age is just a number“ fällt, ist mir klar, dass es sich hier nicht über überbordende Liebe seinerseits handelt, sondern um eine strategische Masche eines kretischen Gigolos.
Auch er wird also beim Hotel-Manager gemeldet, der langsam wirklich verzweifelt wirkt und anfängt mir ein bisschen leid zu tun. Leider wird dieser zweite Kellner aber nicht direkt gefeuert, so dass ich ihn weiterhin im Restaurant ertragen und auch mitbekommen muss, wie er sein Glück bei weiteren alleine reisenden Frauen versucht, einer sogar bis in die Lobby hinterher rennt, um sie dort nach ihren Kontaktdaten zu fragen. Er will halt wirklich nichts anbrennen lassen.
Bezness in Europa, auf Kreta
Vielleicht hatte ich einfach Pech mit dem Hotel, das wäre eine Option, doch leider deckt sich diese Überlegung nicht ganz mit den Erfahrungen, welche ich auch ansonsten noch mit weiteren der einheimischen Männer gemacht habe. Wo auch immer ich laufe, schallen mir Rufe entgegen, wie „Baby, wait, have a drink with me“ oder „Please, stop, you are so beautiful“. Zum Großteil passiert dies vor Bars oder Restaurants, die Gäste hineinlocken möchten, doch trotzdem ist die Art und Weise so flirtend und sexualisiert, dass ich nicht glauben kann, dass da nicht noch weitere Hintergedanken mit einfließen. Und auch die (selbsternannten) Bar-Prinzen schaffen es, ihre Opfer, in diesem Fall mich, sehr schnell auf Instagram ausfindig zu machen. Wahrscheinlich indem sie den ganzen Tag nach neuen Posts mit dem Hashtag ihres Ortes suchen. Anders kann ich es mir nicht erklären.
Allerdings beschränkt sich dieses Balzverhalten auch nicht nur auf „meinen“ Ort, der tatsächlich sehr touristisch ist, denn auch als ich einen Tagesausflug nach Chania und Rethymnon mache (andere Städte im Norden von Kreta) und dort etwas in meiner Instagram-Story poste, werde ich schon wieder ganz schnell ausfindig gemacht.
Die kretischen, liebeshungrigen Männer arbeiten gezielt und schnell. Zunächst erkläre ich mir dieses Verhalten einfach noch mit Langeweile am Ende der Touristensaison oder mit einer Art Wettkampf unter „Bros“, doch je extremer es wird, desto mehr erinnert es mich an typische Bezness-Reiseziele, über die ich in diesem Artikel schonmal geschrieben habe. Damals wusste ich aber noch nichts von Bezness in Europa. Es erscheint mir nun aber immer logischer, dass Männer, die derart viel Energie, Strategie und Hartnäckigkeit in den Tag legen, auch finanzielle Absichten hegen könnten, sich von Touristinnen vielleicht das eine oder andere Geschenk oder eine kleine Finanzspritze im Winter erhoffen. Dafür sprechen auch meine Recherchen zu dem Thema und Einträge, die ich im Internet finde, wie den folgenden.
Nun haben wir Anfang November und ich bin immer noch auf Kreta und lasse es mir auch nicht nehmen hier noch weitere Wochen zu verbringen, denn bis auf den beschriebenen Schlag Herren der Schöpfung, habe ich mich tatsächlich in die Insel verliebt. Und je länger ich in Hersonissos bin, desto mehr scheint sich rumzusprechen, dass ich nicht „anbeiße“. Vor den Bars hat man mittlerweile aufgehört mir „Baby“ hinterherzurufen, wenn ich vorbei gehe. Meinen Ex-Kellner Kostas, der auch noch direkt neben dem Hotel zu wohnen scheint, sehe ich zwar noch regelmäßig wie er, nun wohl arbeitslos, mit seinen Jungs an der Strandpromenade rumhängt, Zigaretten rauchend unter Palmen sitzend, auf dem Handy scrollend, mir Blicke zuwerfend, in denen eine Mischung aus Empörung und Verletztheit mitschwingt. Dabei ist es sicherlich noch nicht zu spät, noch 2 bis 3 Touristinnen davon zu überzeugen, wie groß seine Liebe ist, bevor die Saison auf Kreta endgültig beendet sein wird.
Doch nun, liebe Frauen, die ihr meinen Artikel gelesen habt. Ich möchte euch hiermit keinesfalls von einer Kreta-Reise abhalten, denn viel zu schön ist es hier, viel zu lecker das Essen, und ebenfalls viel zu nett der Großteil der Einheimischen. Es soll einfach nur eine kleine Erinnerung daran sein, nicht jedes Wort für bare Münze zu nehmen, und sich vor Augen zu führen, dass Casanova auch gut ein Grieche hätte gewesen sein können.
Übrigens haben mich im Nachhinein als Reaktion auf diesen Artikel noch Nachrichten von Frauen erreicht. Mich hat unter anderem ein weiblicher Gast des Hotels angeschrieben, in dem mich die Kellner so belagert hatten und mir mitgeteilt, dass sie eine der Nachrichten wortwörtlich genauso erhalten hat.
Nachtrag vom 16. Februar 2024
Diese Tatsache zeigt ja, dass der besagte Kellner wirklich systematisch alle Frauen auf Instagram kontaktiert hat, die dem Account des Hotels gefolgt haben. Und das könnte man fast lustig finden, wäre es nicht gleichzeitig auch so erbärmlich.
Zwei Monate nach meinem Kreta-Aufenthalt und nach dem Erscheinen dieses Artikels, erhielt ich zudem auf Facebook noch eine Nachricht, welche von der Verfasserin des oben geposteten Trip Advisor Kommentars stammte. Sie ist offenbar über Google auf meinen Blogartikel gestoßen und hat mich dann kontaktiert, in der Hoffnung, dass ich ihren Beznesser kennen könnte.
Diese Nachrichten haben mir zumindest gezeigt, dass definitiv nicht nur ich von diesem aufdringlichen (und teilweise eben auch betrügerischen) Verhalten betroffen war, sondern es tatsächlich weitere Kreise zieht. Auch Nachrichten von kretischen Männern habe ich übrigens selbst nach meiner Abreise immer mal wieder erhalten, die es sogar im Nachhinein noch geschafft haben meine Social Media Posts irgendwie ausfindig zu machen.
Podcast Folge zum Thema
Übrigens habe ich zusammen mit meiner Freundin Lynn einen Podcast, HERSpectives, und wir haben eine Folge aufgenommen zum Thema Bezness: Bezness – der Liebesbetrug.
Hier erläutern wir das Thema noch viel tiefer und eingehender. Auch Kreta erwähnen wir kurz, sprechen aber hauptsächlich über Bezness generell und die Maschen der Liebesbetrüger.
Vorsicht, auch in Portugal macht dieses Modell langsam Schule! Inkl. Kurzreisen ins Herkunftsland der Frauen und weiterer Abzocke!
Hab ich Lust, deren Dolce Vita zu finanzieren? Nein!